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Die Burgkellerburschenschaft hat ihren Ursprung in der am 12. Juni 1815 in der "Grünen Tanne" in Jena unter dem Einfluss von E. M. Arndt, F. L. Jahn und J. G. Fichte ("Reden an die deutsche Nation" 1807/08), der Freiheitskriege gegen Napoleon I., sowie der liberalen Jenaer Professoren Fries, Oken, Kieser und gegründeten Burschenschaft. Aus ihren Farben Schwarz, Rot und Gold - von den Uniformen des Lützowschen Freikorps, dem zahlreiche Gründer der Burschenschaft zuvor angehört hatten - wurden im Vormärz die Farben der deutschen Einheits- und Freiheitsbewegung, die vom Paulskirchenparlament 1848 zu den deutschen Nationalfarben bestimmt wurden. Mit den Farben hat die Burgkellerburschenschaft auch den Wahlspruch der Urburschenschaft von 1816 übernommen: "Ehre, Freiheit, Vaterland".

Entsprechend der Zielsetzung, alle ständischen Unterschiede unter den Studierenden zu beseitigen, lautete der ursprüngliche Wahlspruch "Dem Biedern Ehre und Achtung". Bieder bedeutete damals noch "tüchtig, ehrenhaft". Seit der Gründung 1815, insbesondere seit dem Wartburgfest von 1817, sind vor allem die politische Einheit Deutschlands und bürgerliche Freiheitsrechte die hervorragenden Ziele aller Burschenschaften. Damals oft als "reaktionär" gescholten, gehörte die Burschenschaft zu den wenigen Gruppierungen, die nach 1945 das Ziel einer deutschen Wiedervereinigung niemals aufgegeben hat. Wegen ihrer demokratischen Zielsetzung war sie den nationalsozialistischen wie den kommunistischen Machthabern gleichermaßen suspekt. Nach der erzwungenen Auflösung 1936, der Zerstörung des traditionsreichen Jenaer Burgkellers (1945), dem Verbot in der ehemaligen DDR, der Wiederbegründung in Mainz (1949) und der Rückkehr nach Jena (1991) ist die damalige Gründungsstätte, die "Grüne Tanne" in Jena, seit 1993 der Sitz der Burgkellerburschenschaft.

 

 

bk 01(Da der folgenden Text aus einem Buch aus dem Jahre 1932 entnommen wurde, muss der damalige Schreibstil und die Rechtschreibung dieser Zeit berücksichtigt werden!) Mit der Entwicklung der Burschenschaft von Anfang an verwachsen, ist er zugleich auch Träger der Geschichte der Stadt Jena selber gewesen: Darum sei auch ihm ein besonderes Wort gewidmet. Es geschieht dies wohl am besten durch (auszugsweise) Wiedergabe eines Aufsatzes aus der Feder eines Bundesbruders, des 1927 verstorbenen Ernst Haasler (1883/1884) in Nr. 4 des zweiten Jahrgangs der Burgkellerzeitung. Es heißt daselbst:

 

bk 02Der Burgkeller zu Jena, am Ende der Johannisgasse, dem Johannistor entgegengesetzt gelegen, führt in seiner Uranlage wohl auf die ursprüngliche Befestigung, auf die Burg des Ortes zurück, der im 13. Jahrhundert Stadtrecht erhielt. Dieser älteste Teil der baulichen Anlage befindet sich im Erdgeschoss des hinter der Stadt und Michaeliskirche, am Schulplatz, gelegenen Langhauses, früher Kastenhaus genannt. Außer dem gewaltigen Keller deuten gotische und romanischeTürbogen, Gewölbe und Säulenfragmente in den jetzt zu Wirtschaftszwecken benutzten Räumen auf das hohe Alter der Anlage. Vielleicht bestand aber auch ein baulicher Zusammenhang dieses eben geschilderten Teiles mit dem nach Angabe Adrian Beiers 1295 erbauten Nonnen- oder Michaelisklosters, das einst auf dem Schulplatz stand wenigstens scheint ein jetzt zugemauerter unterirdischer Gang, der in seinem Anfang im Burgkeller noch sichtbar ist, beide Baulichkeiten verbunden zu haben. Wiedeburg, der sich auf Beiers Angaben beruft, hält auch die Möglichkeit offen, dass der Name von "Borgen" abzuleiten sei, im Gegensatz zur "Rose", in deren Wirtsprivilegien ausdrücklich ein Verbot jedweden Kreditierens enthalten war.- Sicher steht fest, dass der Vorderteil des Gebäudes, Kreuz und Johannisgasse im Schatten des Michaeliskirchturms gelegen, in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts als städtisches Repräsentationshaus, -vielleicht als "Bürgerkeller" von dem Jenenser Baumeister Nikolaus Zöllner, der auch das Kollegiengebäude nebst Turm später (1548) errichtete, im Stil einer herben, derben Renaissance erbaut worden ist. Das in seinen Abmessungen nicht gerade große Haus wirkt doch erheblich durch das sinnreiche Verhältnis zwischen Mauerfläche und Öffnungen. Etwas seltsam und ungewohnt, aber sehr charakteristisch, ist der Zwiebelabschluß des Giebels und des Dacherkers über dem Pultdach der Längsseite. Eine Steintreppe, die sich in ihren Details oftmals in Thüringen wiederholt, führt zur der in die Ecke gedrückten Hauptpforte, die ein rundbogiges Portal mit abgeschrägter Laibung ist, geschmückt und gegliedert durch reiche Profilierung mit Eierstab, Zahnschnitt und kleinen Konsolen. Die Fensteröffnungen zeigen bei geradlinigen Giebelabschluß seine Details, und die Mauermassen lichten sich bei stets reicherer Umrahmung der Fenster in wohlberechneter Steigerung. Die weiten Öffnungen des obersten Hauptstocks werden durch schlanke jonische Säulen geteilt, die Öffnung des Dacherkers ziert eine dorische Zwergsäule. Im Innern war im Laufe der Jahrhunderte vieles durch Umbau momentan wirtschaftlichen Bedürfnissen geopfert worden, doch ließen sich durch Zurückgreisen auf vorhandene Grundmauern und unter Benutzung alter Baureste seit 1893 wiederherstellen: die Eingangshalle mit Kamin und Dielentreppe, das Bürgerzimmer mit mächtiger Originalholzdecke im Obergeschoß und das von granitenem Monolith getragene Kellergewölbe nach der Straße. Neu seit 1595 ist der Saalbau in thüringischer Holzarchitektur im Oberstock des hinteren Langhauses, doch stammte das Stockwerk, das diesem Platz machen mußte, nach Ansicht aller Sachverständigen seiner leichten Konstruktion halber nicht aus den Zeiten der ursprünglichen Anlage, sondern erst aus dem vorigen Jahrhundert.

Von der Urgeschichte des Hauses ist noch nichts bekannt. Als Ende Juni 1547 nach dem Siege bei Mühlberg 30.000 Spanier durch Jena zogen, war die Bevölkerung schwer gereizt und aufsässig, und wie in vielen anderen Häusern Jenas soll auch in den Weinfässern in den ungeheuren Gewölben des Burgkellers gar mancher Spanier erschlagen und verscharrt worden sein. - Am 25. Juni zog Kaiser Karl V. in Jena ein, und vor dem Burgkeller wurde ihm ein Ehrentrunk kredenzt. Die beiden gefangenen Fürsten und Stützen des schmalkaldischen Bundes, Kurfürst Johann Friedrich von Sachsen und Landgraf Ludwig von Hessen, die der Kaiser mit sich führte, wurden auf dem Burgkeller einlogiert, während Karl V. Auf dem Schlosse wohnte. Auch waren Johann Friedrichs Söhne in der Stadt eingetroffen Johann Friedrich der Mittlere, achtzehn, Johann Wilhelm, siebzehn, und Johann Friedrich der Jüngere, neun Jahre alt - , den Kaiser zu bitten, daß er sich ihnen ferner gnädig erzeige, den Vater noch einmal zu sehen und seine Anordnungen entgegenzunehmen. Am 28. Juni hatte der Kurfürst nun jene bedeutsame Unterredung mit seinen Söhnen im oberen Vordergeschoß des Burgkellers, in welcher neben Sicherstellung der evangelischen Lehre zuerst, wenn auch nur in erster Vorbereitung, die Gründung einer hohen Schule in Jena, an Stelle der verloren gegangenen Wittenberger, ins Auge gefaßt wurde. Der verdiente Kanzler Georg Pontanus (Brück) und der vertriebene Bischof von Naumburg, Nikolaus von Amsdorf, waren zugegen; ein positiver Schritt war es, daß sofort in Berufungsverhandlungen mit Melanchton eingetreten wurde, der nach Luthers Tode als geistiges Haupt der deutschen Reformation dastand und von dem es hieß: "Wo Melanchton, da ist Wittenberg."

Für Melanchton verstand es sich gewissermaßen von selbst, daß die neu zu gründende Hochschule nach Jena gehörte. Hatte die Stadt die Wittenberger Universität in ihren Mauern gehabt (1527 und 1535 wegen der Pest) und war Melanchton doch beide Male mit dort und als Lehrer tätig gewesen. Die großen Gedanken von der Freiheit des Gewissens und von der Unabhängigkeit des forschen Geistes gegen menschliche Gewalt, die trotz äußerer Niederlage siegreich aus dem Schmalkaldischen Krieg hervorgingen, erhielten nun für alle Zeiten als Entwicklungsgrundsätze einer wahren deutschen Hochschule eine Stätte in Jena, und ihr Geburtsort, der Burgkeller, bildet ein Wahrzeichen dafür für immer in der deutsch-akademischen Geschichte. - Übrigens blieb des Kurfürst, da der Kaiser, besorgt wegen der in Bergwald und Tal lauernden Thüringer, die seinen Spaniern schweren Abbruch taten, einen überhasteten Aufbruch angeordnet hatte, unbewacht in seinen Burgkellerlogis zurück. In der Eile wurde der wichtigste Mann vergessen. Johann Friedrich aber zog, da er sein Wort gegeben hatte, freiwillig nach, was ihn bei den Spaniern eine "große Beliebung" verschaffte "wegen seines aufrichtigen Gemütes". - Die Herzogin Sybille sagte später, während der Augsburger Gefangenschaft Johann Friedrichs, oft mit ihren Söhnen um "penne ond kalle", und oft wird ihnen der Burgkeller, die Fürsteneinkehr damals, die letzten Abschiedsworte des teuren Gefangenen ins Gedächtnis zurückgerufen haben. Nach diesen Begebenheiten, die hell im Lichte der Geschichte stehen, versinken die Schicksale des Burgkellers wieder in tiefes Dunkel und nur ab und zu gedenkt die Stadtchronik in kurzer Notiz einer Gewalttat oder eines Unglückes, das sich auf ihm zugetragen. Viel wildes Volk wird in wilden Zeiten, besonders während des Dreißigjährigen Krieges, sich auf ihm eingenistet haben, und immer hat sein Mikrokosmus sicher den jeweiligen Kulturzustand des Volkes und der Universität widergespiegelt. Aber auch die spärlichen Notizen, zu denen wir jetzt gelangen, lassen erkennen, daß das Haus seinen ersten Zweck, ein städtisches studentisches Gasthaus zu sein, auch weiter nicht entfremdet wurde, und seine Bedeutung wird infolge seiner zentralen Lage stetig mit der sich hebenden Frequenz der Universität gestiegen sein, die wohl im 17. Jahrhundert mit 1.000 Studierenden und darüber ihren Höhepunkt erreicht. - Im 16. Jahrhundert werden Akte der öffentliche Wohltätigkeit auf dem Burgkeller vollzogen, so z.B. wird am Dienstag in der Marterwoche dort Tuch unter die Armen verteilt. - Um 1643 wird von der wunderbaren Rettung eines Wittenberger Studenten berichtet, der schlaftrunken aus seinen Logis dort 21 Ellen hoch herabgestürzt und sich doch nur geringen Schaden tut. - Schon früh, am 27. Oktober 1650, hören wir von einem Sturm auf den Burgkeller, den Studenten ausführten, und bei dem ein Spielmann aus Zwätzen sein Leben lassen mußte. Dergleichen Stürme wiederholten sich im Laufe der Jahrhunderte zu Dutzenden; immer brandet die akademische Flut in Zorn und Erregung am stärksten und häufigsten um den Burgkeller. - So hatten schon 1644 die Pennalschützen, d.h. Die älteren Studenten, die gesamte Studentenschaft auf den Burgkeller beschieden, um sich gegen zwei Neulinge von außerhalb zu verschwören, die, waffenkundig wie sie waren, die jungen Studenten zum Waffentragen aufgefordert und somit eine Bewegung zur Abschaffung des Pennalismus eingeleitet hatten. Näheres über die zweifellos erbitterten Kämpfe meldet leider der Chronist nicht. - Am 5. November 1652 fällt ein gewaltiger Stein von den Zinnen des Michaeliskirchturms mit solchen Getöse auf das Burgkellerdach, daß Andächtige, die in der Stadtkirche zum Gottesdienst versammelt sind, vermeinen, das Kirchengewölbe berste, und in panikartiger Flucht das Gotteshaus verlassen. Sollte vielleicht damals bei einer durchgreifenden Reparatur das Dach des Vorderhauses so verändert sein, wie es heute steht? Das stimmte für die Mitte des 17. Jahrhunderts und würde den gewissen Gegensatz erklären, in dem das heutige Dach zu der beim Vorderhause sonst zugrundegelegten reifen Renaissancearchitektur sich befremndlicherweise befindet. - Die folgenden spärlichen Nachrichten beziehen sich meist auf Unfälle: so stürzte sich 1666 ein Bortenwirker beim Verlassen des Burgkellers zu Tode, und 1684 in ihm ein Trompeter einen Schulknaben. - Was den Wirtschaftsbetrieb angeht, so war der Keller mit allem Notwendigen reichlich versehen. Um 1550 kostete dort das Maß Neustädter oder Naumburger Bier 4 Pfg., Orlamünder 3 ½ Pfg. und Stadtbier 2 ½ Pfg. - Bis 1656 wurden nur Bier und inländische Weine auf dem Burgkeller verschänkt, da die "Rose" allein bis dahin ein Privileg für den Verkauf ausländischer Weine hatte. Sobald aber in genanntem Jahre der beschwerliche Weinzehnte abgeschafft wurde, fing man auch auf dem Keller an, fremde Weine zu verzapfen. 1670 gibt es dort nicht nur Bier aus Naumburg, Orlamünde, Krimmitschau, Braunschweig und Zwerbst, sondern außer Landwein auch Franken-, Rhein- und spanische Weine. Hieran knüpft der Chronist eine bewegliche Klage über den Getränkeluxus vor mehr als 200 Jahren! - Ausgangs des 18. Jahrhunderts ist der Keller Kaffeehaus; die bürgerlichen Hochzeiten werden dort gefeiert. Eine ganze Zeit schweigt glücklicherweise die Unglückschronik. Erst 1733 wird wieder ein Mord gemeldet: es ersticht ein Kurländer von Adel im Wirtszimmer um Mitternacht einen Kommilitonen. Dem entleibten wird die ewige Seligkeit wegen seines wilden Wandels abgesprochen. 1795 stürmen Studenten, nachdem sie die Wohnung des Prorektors verwüstet hatten, wieder einmal den Burgkeller und lassen ihre Wut sogar an dem Küchengeschirr aus das total demoliert wird. - Von den traurigen Oktobertagen 1806 wissen die alten Mauern auch so manches zu erzählen, biwakierten doch die Franzosen in der Nacht vom 14. zum 15. Oktober um den Burgkeller und auf dem Kreuz bei großen Wachtfeuern und ging doch der Zug der Verwundeten und Toten vom Landgrafen her in beständiger Folge an ihm vorbei in die Michaelstraße, wo das große französische Wundlazarett eingerichtet worden war. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts als der Kampf der Landsmannschaften untereinander, nach Besiegung der Ordensherrschaft, tobte, war der Burgkeller Sitz des Landsmannschaft der Mecklenburger, die sich nach fälschlicher Geschichtsrekonstruktion auch "Vandalia" nannten und aus denen ein Teil der tüchtigsten Gründer der Burschenschaft hervorgehen sollte. Mit Gründung der Burschenschaft (12. Juni 1815) steht der Burgkeller wieder im Vordergrund des gesamten akademischen Leben, denn wenn auch zwar für die ziemlich die gesamte Studentenschaft umfassende, ca. 500 Mann starke Burschenschaft geräumige Kommershäuser nötig waren für die 8 Jahreskommerse (es waren dies nacheinander die Tanne, die Rose und der Löwe), so tagten auf dem Burgkeller doch der Vorstand und die Führer der Bewegung, zum großen Teil alte Feldzugsoldaten aus dem Lützowschen Korps, auch waren seine Räume besonderen Veranstaltungen vorbehalten. - Bis zum Jahre 1836 war der Burgkeller im Besitz der Stadt, am 1. Mai des Jahrs ging er in den Besitz des nachmals im ganzen Reich genannten und gekannten Gottlob Dietsch, Fleischermeister von Profession, über, dem noch zwei Wirtsgenerationen folgten, bis im Jahre 1893 endlich der derzeitige Besitzer "Kreditverein Burgkeller" die Baulichkeit erwarb, die während dieses fünffachen Besitzwechsels ihren Wert auch mindestens verfünffacht hatte. Des berühmten Wirtes, den der Burgkeller in modernen Zeiten gehabt hat, eben des vorgenannten Gottlob Dietsch, wäre noch in Kürze zu gedenken. Der unglückliche, in Rastatt erschossenen Burgkelleraner A. von Trützschler hatte ihn als Anfänger unterstützt und es ihm wirtschaftlich möglich gemacht, den Burgkeller vom Stadtrat zu kaufen. Mit ganzer Seele hing dieses Wirtsunikum an der Burschenschaft der Burgkelleraner, die er gern die seinigen nannte, und deren Vorstand er nie anders als im Sonntagsstaate nahte. Zahllos, in Prosa und Vers, sind die Anekdoten über ihn angehäuft, in ganz Deutschland und der Schweiz war er durch seine Tretreisen bekannt. Als er auf einer derselben am 11. September 1855 zu Brittbau bei Zofingen im Kanton Aargau plötzlich starb, erwies ihm ein alter Burgkelleraner, Pfarrer Baumann, die letzte Ehre, und zahlreiche Schweizer Freunde setzten ihm eine Grabstein mit der berühmten Inschrift: "Er war ein Gläubiger". Um von Wirtslaunen und Wirtswechsel für alle Zeit unabhängig zu sein, gab sich die Burschenschaft am 30. Juli 1859 den Namen "Arminia a. d. Burgkeller".

 

Scan10001 Wie die wirtschaftlichen Verhältnisse sich gestalteten, nachdem Dietsch´s Nachfolger Berghoff 1872 den Burgkeller an den Inspektor Knolln verkauft hatte, soll hier nicht weiter behandelt werden. Im Jahre 1878 war er auf Knolls Sohn erblich übergegangen. Mit ihm schloß der Vorstand des Kreditvereins durch seine Mitglieder K. v. Strenge (1861), Gotha, Franz Lembke (1858), Jena, Hermann Zeitz (1867), Jena, unter wirksamer Beihilfe und Unterstützung der Gebrüder Heinrich Stoy (1865) und Stephan Stoy (1874/75) am 8. Oktober 1893 den Kaufvertrag ab und erwarb das Eigentum an dem alten Burschenhaus. Dadurch wurde er für die Burschenschaft endgültig gesichert. Das nunmehrige Besitztum erforderte sofort eine gründliche Umgestaltung. Jeder neue Inhaber hatte nämlich an dem alten Gemäuer nach Kräften herumgebaut und herumgeflickt, so daß allmählich ein nichts weniger als schöner Wirrwarr von Gängen, Gemächern und Wirtschaftsräumen entstanden war. Die großen Stuben waren unterteilt, die alten Balken und Gewölbe unter Putzdecken verschwunden und auch als Wirtschaft war der Burgkeller immer mehr gesunken. In diesen Bauzustand wurde nun kräftig eingegriffen. Die große Eingangshalle vor der Kneipstube wurde freigelegt, in damaligem Raissancegeschmack ausgeschmückt und mit breiter Holzfreitreppe versehen.

Scan40005Im Remter wurden die Gewölbe wieder unter den Zwischengewölben hervorgeholt, desgleichen in der Johann-Friedrich-Stube die Zwischenwände herausgenommen und die Balkendecke freigelegt. 1894 wurde im 1. Stock des Ostflügels unter Beseitigung mehrerer Klubzimmer ein großer Saal mit gotisierender Fachwerk-Architektur geschaffen. Das Zugänge und Nebenräume mehr als ungenügend waren, störte damals wohl die Baupolizei noch nicht. - Im Jahre 1898 ließ Zeiß den Tunnel unter den Kneipzimmer untersuchen. Der Bericht lautet: Es ergab sich, daß er der Überrest eines alten Kreuzgewölbes ist, welches durch Einziehung von horizontalen und vertikalen Wänden verbaut war (offenbar vom alten Dietsch zu Fleischerzwecken). Der Beschluß des Vorstandes des Kreditvereins, das alte Gewölbe wieder freizulegen, wurde alsbald zur Ausführung gebracht. Damit war eine schöne Halle geschaffen von dem Flächenumfang der Kneipzimmer und einer Höhe von 4,50 m. Die Decke bildet ein viergliedriges Gewölbe, getragen von einer alten Säule, die durch die eingezogene Mauer verbaut war. In der Säule sind alte Jahreszahlen, z.B. 1817 und 1820, eingemeißelt; es ist nachgewiesen, daß die Halle zur Zeit der altem Burschenschaft in Gebrauch gewesen ist. Den Eingang bildet das halbrunde Tor gleich neben dem Haupteingange des Burgkellers und die von da direkt in die Halle führenden Treppen. An Stelle der viereckigen Tür des Tunnels kommt ein Fenster; die Fenster nach dem Kirchplatz heraus sind in der alten Größe wiederhergestellt. Der ganze Raum ist mit Zement betoniert, der Fußboden asphaltiert.

 

Scan4Dieser Raum wurde für die Burschenschaft bestimmt, vorbehaltlich der dann und wann an den Wirt zu erteilenden Erlaubnis die Räumlichkeit auch der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Im Jahre 1899 machte sich zur Behebung der Feuchtigkeit im Keller, deren man trotz kostspieliger Ausbesserungsarbeiten nicht hatte Herr werden können, die Legung einer Röhrenleitung aus gußeisernen Röhren nötig. Eine den neuesten Anforderungen entsprechende Klosettanlage wurde 1903 geschaffen. In gleicher Zeit gewann das Kneipzimmer eine wesentliche Verbesserung durch einen neuen, sehr schönen Kachelofen, sowie eine wesentliche Verbesserung durch einen neuen, sehr schönen Kachelofen, sowie durch die an Stelle der alten Fenster eingesetzten bunten Scheiben.

(...) Während des Krieges hatten nicht nur alle Arbeiten im und am Burgkeller, sondern auch die notwendigsten laufenden Ausbesserungen, unterbleiben müssen. Damit sah man sich denn nach Friedensschluß vor die Entscheidung gestellt, entweder sehr kostspielige, umfassende Ausbesserungsarbeiten vorzunehmen, oder den Burgkeller gänzlich verfallen zu lassen. Diese stand natürlich außerhalb jeder Erörterung. Da warf E.M. Braunschweig (1878), der sich nach dem Tode unseres hochverdienten E.M. Hermann (1867) der Angelegenheiten des Bundes besonders annahm, die Frage auf, ob es nicht ratsamer sei, die hohen Ausbesserungskosten gleichzeitig für einen zweckmäßigen Umbau nutzbar zu machen. Nach langen Verhandlungen setzten er und St. Stoy sich über allen Bedenken hinweg und faßten den kühnen Entschluß, das altehrwürdige Haus zeitgemäß umzubauen und wieder im alten Glanze zugleich als Bundeshaus, als Saalbau und als gediegenes bürgerliches Wirtshaus erstehen zu lassen. Mit der Durchführung der Aufgabe betrauten sie die Dresdner Architekten Professor Dr.-Ing. E. Högg und Professor Dr-Ing. R. Müller, und obgleich die Aufgabe "wie es bei solchen Umbauten zu gehen pflegt" mit jedem Eingriff in die alte, morsche Baugruppe wuchs, und obgleich die Ausführung in die Tage des schlimmsten Marktsturzes geriet und die Bausumme sich verzwanzigfachte so wurde doch unter Auferbietung aller Kräfte und mit begeisterter Opferwilligkeit das Unmöglich-Scheinende möglich gemacht und der Bau fast ohne Einschränkungen des Entwurfs zu Ende geführt:

Trotz der geringen Breite des Grundstücks gelang es, in den Lichthof ein geräumiges Treppenhaus mit geradläufiger, in Beton hergestellter Treppe hineinzubauen, so daß der Saal nun unmittelbar und feuerpolizeilich ungefährdet vom Kirchplatz aus erreicht wird. Die Nebenräume des Saales konnten zwar nur in bescheidenen Abmessungen angelegt werden, genügen aber für die örtlichen Ansprüche vollkommen. Im Erdgeschoß wurden außer großer Küche, Anrichte und sonstigen Wirtschaftsräumen drei Gaststuben gewonnen, deren vordere größte nur noch in ihren malerischen hochgelegenen Fenstern den alten Zustand zeigt, während die zweite noch mit der alten gekehlten Balkendecke, die dritte, das sogenannte Schluckein, mit einem Kreuzgewölbe überdeckt ist. Gedrungene grün und braun glasierte Kachelöfen, Wandbänke mit hohen Rückenlehnen, kräftige Stühle mit Binsengeflecht, schwere Tische auf Kreuzbeinen, aus Holz gedrehte Leuchter an kräftigen Ketten, alles in einfachsten, fast zimmermannsmäßigen Formen, passen sich den mittelalterlich gestimmten Räumen an, ohne doch in Stilnachahmung zu verfallen. Es ist der urwüchsige Geist des kraftvollen Mittelalters, der hier weht, keine durch Nachahmung von Äußerlichkeiten geschaffene Butzenscheiben- Romantik. Das gilt vor allem auch von der Ausmalung, die dem Bremer Maler Paul Perks übertragen war, und von dem auch die Entwürfe zu der Kellerausmalung stammten. Wände und Decken tauchte er in kecke, wenig gebrochene Farbentöne, auf die er in freier Pinselmalerei sein fröhliches Ranken- und Bandwerk setzte, das der eine für gotisch, der andere für hochmodern halten mag. Eingang Treppenhaus und erste Gaststube sind im Grundton gelb und licht gehalten. Die zweite Gaststube ist auf Grün und das Schluckein auf Rot und Blau gestimmt; beide sind mit schwarzem Rankenwerk belebt.

Eine Meisterleistung stellt die farbige Bewältigung des großen Saales im ersten Stock dar. Dieser Raum mit seiner für den heutigen Geschmack unmöglichen falschen "Gotik" und seinen unschönen Verhältnissen war eigentlich schon aufgegeben worden. Er sollte zu günstiger Zeit einem Neubau Platz machen. Welch starkes Mittel für die Verbesserung von Raumverhältnissen wir in der Farbe und der geschickten Ausnutzung gemalter Aufteilung besitzen, zeigt uns Perks, unter dessen Pinsel das Fachwerk an Wänden und Decke vollständig verschwand, während eine in der Hauptsache waagerechte Gliederung der Wände den kahlen hohen Raum in die breite zog. Zwei besonders liebevoll durchgebildete, hölzerne Kronleuchter, je aus drei übereinander hängenden durchbrochenen Tafeln gebildet, vervollständigen den ausgezeichneten Gesamteindruck. Die Farbstimmung ist lebhaft bunt. Die Streifung des oberen Wandteiles schwarz-gelb-rot, an die Farbe der Burschenschaft erinnernd. (...)

Die Geschichte des Burgkeller bliebe unvollständig, erwähnte man nicht zwei Persönlichkeiten, ohne die er undenkbar ist, da sie Jahrzehnte lang in ihm täglich aus- und eingegangen sind, nämlich die beiden Coleurdiener (es gibt dafür noch keine eingebürgerte Verdeutschung) Heinrich Pfaff und Hermann Hage. Heinrich Pfaff gehörte zweifellos zu den Originalen, deren das alte Jena eine ganze Anzahl aufzuweisen hatte. Die Geschichten, die von ihm und über ihn in dem Bunde umliefen, waren unzählig wie der Sand am Meere. Alle aber weisen sie den gemeinsamen Grundzug auf, daß „Hendrik“ es mit den vielgewandten Odysseus in Verschlagenheit und „Großzügigkeit“ des Gewissens wohl aufnehmen konnte, dabei aber immer die Miene des Biedermanns zu wahren verstand und über Humor verfügte, der ebenso unverwüstlich war wie sein „Dorscht“. Er war das Urbild der Coleurdiener der alten Zeit. Treu und umsichtig sorgte er für alles, was mit Fechtboden und Mensurbetrieb, auswärtigen p.p.-Suiten, Kommers, Ausschmückung des Kneipzimmers und Instandhaltung der Gräber der in Jena bestatteten Bundesbrüder zusammenhing. Stets dienstbereit und gefällig, übernahm er die Aufträge der Bundesbrüder, sei es, daß er Sachen zum Schneider oder Koffer zur Bahn oder sonst etwas besorgen sollte und war pünktlich mit Frau und Kind zur Stelle. Auf sein „Es wird b´sorgt, Herr Dukter“ konnte man sich ebenso verlassen wie darauf, daß er auch nach der geringsten Leistung sagte, „da kriegt mer aber Dorscht dabei“. Für dessen Stillung wußte er in allen Lebenslagen zu sorgen. So barg der Korb, in dem er bei Ausübung seines eigentlichen Berufes als Maurer hoch am Michaelisturme hing, eine stattliche Anzahl Bierflaschen, und bei gestörten Mensuren fand er immer noch Zeit, in den Sack mit den zu rettenden Paukzeug einige Flaschen mitgehen zu heißen. Auf dem Burgkeller hatte er seinen Stammplatz am Eckfenster nach der Johannisstraße mit dem Rücken nach der Tafel, auf der der diensthabende Pietsch oder Perkeo bereitwillig die Zahl der von ihm geleerten „Dorschtschoppen“ auf F.P. (Fremdenpump) ankreidete. Trotz dieses altdeutschen Durstes zu jeder Tages- und Nachtzeit war er immer leistungsfähig und pünktlich. Für seine „Herre“ ging er durchs Feuer, anderen aber spielte er gerne einen Streich. So fanden sich gelegentlich Stücke aus dem Paukzeug der Germanen und Teutonen in dem unsrigen, wohin sie natürlich „ganz zufällig„ gekommen waren. Wie er im Bandagieren geradezu ein Künstler war, so auch im Ausschmücken. Wunderbare Klingenformen, herrliche Eichenlaubgewinde mit den Farben durchflochten, Stoßschlägertrophäen zauberte er in den alten urgemütlichen Burgkellersaal zu großen Festen – all das Grüne aber verschaffte er sich höchstselbst freihändig und kostenlos in den Bergen bei Nacht, seine Frauensleute aber trugen es willig im Morgendämmern zu Tal. Zu Weihnachten besorgte er auf diesem für ihn gewöhnlichen Wege eine prächtige Tanne, die im Kneipzimmer aufgestellt und neben reichlichen Lichterschmuck üppig mit Sauerheringen, Würstchen usw. behängt wurde. Die Beute aus diesen Waren fiel ihm und seinem Anhange natürlich zu. Die Diener der anderen Jenaer Verbíndungen betrachteten ihn als ihren Alterspräsidenten und Obmann. Zweifellos konnte er über die meiste Erfahrung Gerissenheit verfügen. In ganz Jena war er eine stadtbekannte Persönlichkeit. Seine Wohnung aber war geradezu ein Museum von allerhand Dingen, die er im Laufe der Jahre „gefunden“ hatte. Wände, Tische, Kommoden waren dicht behängt und bedeckt mit alten Stoßdegen, Schlägern, langen Pfeiffen, Schattenrissen, alten Bildern, Bierkrügen, Gläsern, bemalten Tassen, Pfeiffenköpfen, Aschenbechern, Studentenmützen, kurzum mit all dem, was zur Ausschmückung einer Studentenbude zu dienen pflegte. Ganz besonders stolz war er, wegen „Beihilfe zum Zweikampf“ zu Festung verurteilt worden zu sein. Als Gentleman mit Sporenstiefeln, mit Reitgerte und keckem Hütchen trat er die Reise an, nachdem er zweimal sein Reisegeld in Flüssigkeit umgesetzt hatte.

Im Januar 1902 wurde er wegen Altersschwäche in den Ruhestand versetzt. Sein sehnlichster Wunsch war es, als er schon auf dem Sterbebett lag, zur Enthüllung des Burschenschaftsdenkmals nach Eisenach mitfahren zu können. Als ihm dies natürlich nicht gewährt werden konnte, nahm er seine letzten Kräfte zusammen und warf deiner biederen Ehehälfte, die es mit „ihrem Saufluder“ nicht leicht gehabt hatte, eine Kaffeetasse an den Kopf – und verschied. (25. September 1902) So starb Heinrich Pfaff – ein Mensch voll unendlicher Humoristik für den teilnehmenden Beobachter, - dem Burgkeller ergeben bis zum letzten Atemzuge. Als Mensch ein Gegenstück zu ihm, wie es nicht krasser gedacht werden konnte, war sein Nachfolger Hermann Hage. Er stammt aus Zwätzen und hat schon von klein auf den Mensuren daselbst beigewohnt, so daß er im Laufe der Jahre sich einen kritischen Blick für sie erworben hatte. Mancher Bundesbruder führte seine Erfolge auf die von ihm geratenen „Dessins“ zurück. Im Bandagieren hatte er sich bald dieselbe Fertigkeit wie Pfaff angeeignet, und der Instandhaltung des Paukzeuges galt seine ganze Sorgfalt, wie er überhaupt mit großer Gewissenhaftigkeit alle Obliegenheiten versah. Man konnte sich auf ihn unbedingt verlassen, und lieber lehnte er einen Auftrag ab, wenn er nicht bestimmt glaubte, ihn erfüllen zu können. Geradezu erstaunlich ist seine Kenntnis der einzelnen Bundesbrüder, deren weitere Schicksale er mit reger Anteilnahme verfolgt. So ist er in der Lage, über die meisten Auskunft geben zu können. Mit jedem einzelnen weiß er mitzufühlen und ist für manchen mit der reichen Erfahrung, die er in seinem ganz der Pflicht gewidmeten Leben gesammelt hat, ein treuer Berater gewesen. Und doch ist er der stille bescheidene Mann, der von dem, was er tut, kein Aufhebens macht, sondern immer still zurückhaltend und anspruchslos bleibt.

Das Jubelfest des 50. Semesters hat er bereits hinter sich. Am 10. Dezember 1930 bandagierte er seine 5000. Partie, bei welcher Gelegenheit der Bund ihm ein Geschenk überreichte. Da er im Frühjahr 1932 70 Jahre alt geworden ist, trat er am 1. April in den wohlverdienten Ruhestand. Freundliche Wünsche aller Bundesbrüder geleiten ihn in diesen in der Hoffnung, daß er noch weiter am Leben des Bundes teilnehme. Zum Schluß noch ein Wort über das, was der Burgkeller uns innerlich gibt. Man sagt wohl nicht zuviel, wenn man ihn als den Brunnquell aller Kraft des Bundes bezeichnet. Denn es ist ein kaum in Worte zu kleidender Zauber, den er ausübt. Wer sich dereinst in jugendlicher Begeisterung ihm geweiht hat, den läßt er nicht mehr los bis an das Ende des Lebens, für den haben die starren Mauern lebendigen Geist und lebendige Seele. So ist und bleibt er allen eine gemeinsame Heimat. Welches Burschenhaus ist so von den seinen besungen worden wie der Burgkeller ? Auch ein Stück Eigenart. Es sei hier gedacht der vielen in der Burgkeller-Zeitung veröffentlichten Verse, besonders der in den Liederschatz des Bundes aufgenommenen neuerdings wieder kräftig bevorzugten Gesänge von v. Pfistner (1887), August Sturm (1872/73) und Ernst Wiegmann 1 (1887), die alle ein flammendes Bekenntnis zu der alten prunklosen aber trutzigen Hochburg sind:

Andre mögen´s nimmer fassen,
Was Du warst mir, ich nicht kann lassen,
Wie es tief im Herzen ist, was Du bist,
Wie Dein Bild
In des Lebens Bitternis,
Auf des Werktags grauer Straß´
Geht ein Schimmer stillen Glanzes
Von Dir aus ohn`Unterlaß.
Und dann eilen die Gedanken
Meilenweit zu Dir hinaus,
Liebes, teures, unvergess`nes,
Altes, graues Burschenhaus.

(Text entnommen aus: Hanow, Rudolf, Geschichte der Burgkellerburschenschaft Arminia auf dem Burgkeller während der Jahre 1859-1932, Hildesheim 1933, S. 172 – 193)

 

Scan40007Nach dem Verbot der Burschenschaft 1935 wurde der Burgkeller von der mittlerweile gegründeten „Kameradschaft Lützow“ bis zum 13. März 1945 „bevölkert". Aus den vorangegangenen Ausführungen alter Burgkelleraner wurde ersichtlich, welche starke und bedeutsame Beziehung zwischen unserer Burschenschaft Arminia a.d.B. und dem alten Burschenhaus bestand. Aus diesem Grunde traf es den Bund auch schwer, als der Burgkeller am 13. März 1945 durch einen anglo-amerikanischen Bombenangriff zerstört wurde. Was von den Bomben verschont geblieben war, das wurde später, wie auch andere bedeutende historische Gebäude, von den neuen Machthabern weggerissen, um die alten Traditionen aus den Erinnerungen der Stadt und ihrer Bewohner zu verbannen.... Als unsere Burschenschaft nach der politischen Wende in der DDR und der Wiedervereinigung Deutschlands 1991 aus dem Mainzer Exil nach Jena zurückkehren konnte, war es nicht möglich das alte Burgkellergrundstück zurück zu erwerben. Daher wurde die "Grüne Tanne", das Haus vor dem dereinst die Burschenschaft ins Leben gerufen wurde, als neues Verbindungsheim erworben und schließlich 1994 bezogen.

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mainz01Nach dem 2. Weltkrieg mussten wir nach 130 Jahren unsere geliebte Alma Mater in Jena verlassen und ins Exil nach Mainz gehen, da die russische Besatzungsmacht keine freiheitlich gesonnenen Studentenverbindungen duldete. Dort residierten wir zuerst im Gashaus Becker XXXIX in Gonsenheim und später in der Steingasse, bis wir schließlich unser Haus (siehe links) in der Ritterstraße 6 beziehen konnten. Das Exil endete mit unserer Rückkehr nach Jena 1991. Die nun folgenden Ausführungen sollen einen Eindruck von den Anfängen in Mainz und der Entwicklung unserer Burschenschaft bis zur Rückkehr nach Jena geben. Die Ausführungen wurden von unserem Bundesbruder Sahm verfasst, der seine Aktivenzeit in Mainz verbrachte.

 

mainz02Während in der sowjetischen Besatzungszone auch nach dem zweiten Weltkrieg die Verbindungen verboten blieben, wurden sie in den Zonen der drei Westalliierten nach und nach wieder zugelassen. Es waren seinerzeit französische Besatzer, die im Nachklang der französischen Revolution Ende des 18. Jahrhunderts für den schleichenden Niedergang der 1477 von Diether von Isenburg gegründeten Mainzer Universität sorgten und es waren erneut französische Besatzer, die am 22. Mai 1946 die Hochschule unter dem versöhnlichen Leitspruch: „Ut omnes unum sint" („Auf daß alle eins seien"), einer Anleihe aus dem Johannes-Evangelium, in der alten Flakkaserne an der Saarstraße wiederbelebten. Allerdings erst knapp 3 Jahre später war auch in Mainz die Zeit gekommen, die Tradition der Verbindungen wiederzubeleben. Am 25.Juli 1949 legte der Senat der Uni Mainz Maßstäbe zur Zulassung studentischer Gemeinschaften fest. Pauk-, Mensur und Satisfaktionswesen waren nicht zulässig, ebenso das öffentliche Farbentragen. So gründeten junge Studenten mit Unterstützung der VAB Wiesbaden und einiger Alter Herren der VAB Mainz am 9. März 1949 in Mainz die Burschenschaft Moguntia. Um die Zulassung durch den Senat der Universität Mainz zu bekommen, mußten die Verbindungen ihre Verfassungen vorlegen. Ein Mitglied des Senats riet in einem Gespräch dringend, vorerst von der Bezeichnung „Burschenschaft abzusehen“. Die Universität habe aber Kenntnis davon genommen, daß die Verbindung die Tradition der alten Jenaischen Burschenschaft fortsetze. Unermüdlich in der Wiederauffindung der Bundesbrüder im Chaos 1945 und danach zur Wiederbelebung der Bundeszugehörigkeit war unser Bundesbruder Rudolf Strebel (SS 1922), der letzte Vorsitzende der Altherrenschaft in Jena, der die Mitgliederdatei in die westliche Besatzungszone gerettet hatte. Am 6 Mai 1950 übernahm die Altherrenschaft der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller die Burschenschaft Moguntia.

Mittelpunkt war zunächst ein Nebenraum im Mensagebäude der wiederbegründeten Johannes-Gutenberg-Universität Mainz, das uns der damalige Kurator und spätere Kanzler der Universität, unser Bundesbruder Dr. Fritz Eichholz (Cimbria München 1921, EM 1950), zur Verfügung gestellt hatte, später das Gasthaus Johann Becker XXXIX in Gonsenheim (heute Gonsenheimer Hof, Ecke Mainzer Straße 132 / Weserstraße), dann, ab 1953 zwei angemietete Etagen in der Mainzer Innenstadt (Steingasse 23). 1953 erlaubte der Senat der Uni Mainz das Farbentragen bei besonderen staatlichen, kirchlichen und akademischen Feiertagen und gemeinsamen Veranstaltungen von Verbindungen. Das Farbentragen von einzelnen Studenten blieb verboten. Aktive und Alte Herren, die noch in Jena studiert hatten, versuchten, alte Jenenser Traditionen aufrecht zu erhalten und weiter zu vermitteln. Für den Hanfried-Bummel mußte die Germania gegenüber von Becker XXXIX, später ein Denkmal im Stadtpark oder gar ein Bundesbruder im Regenmantel herhalten. Bei dem Liedgut und den Anstichen war es da leichter. Dennoch wurden immer wieder Klagen laut, daß in Mainz nicht die reine Jenaer Tradition gepflegt werde. Mancher Alte Herr verstieg sich in die Feststellung, er stehe treu zum Bunde, werde aber erst dann wieder an einer Veranstaltung des Bundes teilnehmen, wenn dieser wieder in Jena sei.

 

mainz031956 wurde auf Betreiben des damaligen Vorsitzenden der Altherrenschaft, Dr. Hans Bruns (1908), das Haus in der Ritterstraße 6 erworben, das bis zur Rückkehr nach Jena unser Domizil bleiben sollte. Das war nicht selbstverständlich, sollte doch die Mainzer Zeit nur vorübergehend sein. Der Kauf eines Hauses schien eine Festlegung auf Mainz zu sein, die der Rückkehr nach Jena als einziger zu erstrebender und auch bald wieder zu erreichender Heimat entgegenstand. Da jedoch eine Rückkehr nach Jena und die Rückgabe unseres Burgkellergrundstücks nicht kurzfristig zu realisieren waren, konnten auch die Zweifler überzeugt werden. Am 5. Mai 1956 fand die Einweihungskneipe und festliche Übergabe des „Burgkellerheimes“ Ritterstraße 6 an die Jungburschenschaft statt. Bei den Fuxenfahrten zu AH! Bruns, der uns als Vermächtnis die Dr. Hans-Bruns-Stiftung hinterließ, hatte es sich eingebürgert, daß der Fuxmajor im Anzug die Badesaison im Brunschen Swimmingpool zu eröffnen hatte, bevor alle anderen Bunderbrüder sich ebenfalls dem nassen Vergnügen widmeten, allerdings in Badehose. So kam irgendwann der Gedanke auf, daß auf dem 1600 qm großen Grundstück in der Ritterstraße genügend Platz für ein Schwimmbad sei.

 

mainz04Der burschenschaftliche Swimmingpool, den Bbr! Kurt-Otto Keßler durch sein Bauunternehmen im Garten errichten ließ, ließ spezielle Mainzer Traditionen entstehen, so den Beginn des inoffiziellen Teiles des Stiftungsfestes, für den der Propräses ein Bad im schwarzen Anzug nehmen mußte und die darauffolgende Hochkneipe im Pool zu der alle Teilnehmer im Anzug die aufgeschichteten Biertische und –bänke aufsuchen durften. Im Jahr der 150. Wiederkehr der Gründung unserer Burschenschaft 1965 hatten wir den Vorsitz in der Deutschen Burschenschaft inne. Grußworte sendeten unter anderem Bundespräsident Heinrich Lübke, Bundeskanzler Prof. Ludwig Erhardt. Reden hielten unter anderem Vizekanzler Erich Mende und der Regierende Bürgermeister von Berlin Willy Brandt. Die Veranstaltung fand bundes- und DDR-weit große Anerkennung und Aufmerksamkeit durch die seitdem oft zitierte Zielangabe aus dem Grundwort unseres Jenabruders Klaus Asche von Germania im Berliner Sportpalast: „Wir werden unser Ziel erst erreicht haben, wenn wir am Ende des dornigen Weges auf dem Markt eines freien Jena stehen!“ Das verbindungsstudentische Leben in Mainz spielte sich auf den Häusern, innerhalb der ÖB (örtliche Burschenschaft), dem Zusammenschluß der drei am Hochschulort Mainz befindlichen Burschenschaften der Jenaischen B! Arminia auf dem Burgkeller, B!Germainia Halle zu Mainz und der Mainzer B! Saravia, dem Mainzer Waffenring, dem Zusammenschluß der mensurbeflissenen Verbindungen von Mainz, Bingen und teilweise Saarbrücken und dem RMK (Ring Mainzer Korporationen) statt. Außerhalb von Mainz waren wir stark in unserem damaligen Freundschaftskartell, dem RV (Roter Verband, benannt nach den roten Mützen) und im Dachverband Deutsche Burschenschaft engagiert. Durchweg waren die Bundesbrüder bis zum Beginn der 68er Revolte in den studentischen Gremien vertreten. Mit Bbr! Lutz Dornbusch (1967/68) stellen wir im Jahr 1968 letztmalig den AStA-Vorsitzenden. Ab dieser Zeit litten wir auch unter chronischem Nachwuchsmangel. 1972 wurde unser Bund für ein Jahr aus der Deutschen Burschenschaft ausgeschlossen, da wir für den Gesamtverband das fakultative Fechten befürwortet hatten. Unsere passende Antwort hierzu war eine vielgliedrige PP gegen die Vorsitzende, B! Frankonia Münster, die selbstverständlich mit einem Nadelverhältnis zu unseren Gunsten ausging. Die 70er Jahre waren zwar vom Rückzug auf die Häuser geprägt, jedoch genossen die Aktiven einen ungewöhnlichen Wohlstand. Das Haus wurde von einem Faxen-Ehepaar bewirtschaftet. Es gab von der Altherrenschaft finanziell geförderte Mittagstische und Abendessen und für 35,-- bis 40,-- DM konnte man auf dem Haus mit Pool wohnen. Allerdings waren Frauen – außer der Hausmeisterin zum Saubermachen – auf den Aktivenzimmern nicht erlaubt. Es gab aber auch Alte Herren, die uns Wohlstandskinder mit großem Mißtrauen betrachteten, denn „so etwas hatte es damals in Jena nicht gegeben“. Entsprechend dem Stil der damaligen Zeit waren die Haare länger und wir Aktive praktizierten stolz das „Jenenser Schäbigkeitsprinzip“. Wilde Mainzer Urburschen trugen wilde Bärte und abgewetzte Jeans oder Badehose zum Couleur; die Mütze blieb außer zur Begrüßung von Damen und bei Essen im Wert von mehr als 2,-- DM auf dem Kopf, was einzelne Aktive und Alte Herren als Disziplinlosigkeit und Indifferentismus geißelten.

 

mainz05Das Aktivenleben bestand neben dem Studium aus morgendlichen und abendlichen Paukstunden, Kränzchen (Vorträge), Keilabenden zur Nachwuchsgewinnung, ÖB-Vortragsabenden, Kneipen, Ex-Bummeln bzw. Aktivenfahrten zu AH!AH! oder befreundeten Korporationen an anderen Hochschulorten, RV-Veranstaltungen und DB-Seminaren, die meist am Wochenende stattfanden. Obwohl fast jeder Bbr! einen Pkw hatte, blieb für wochenendliche Heimatfahrten wenig Zeit. Ein herausragendes Erlebnis waren die Fahrten zu unserer Bundesschwester Else v. Strenge, der Witwe des vormaligen Bundesfürsten Ernst von Strenge, mit gleichzeitiger Teilnahme am Thomastag in Nürnberg und die Fuxenfahrten zu AH! Bruns, die sich auch die Burschen und Inaktiven nicht entgehen ließen. Zu den Stiftungsfesten wurden Fackelzüge zum 1960 errichteten Mahnmal der Deutschen Einheit („Deutschland ist unteilbar“) am Rhein unternommen. Ein besonderer Höhepunkt war die Feuerrede des ehemaligen Staatssekretärs im Bundesministerium für inndeutsche Fragen Dr. Günter Wetzel. Im Sommersemester wurde nach der morgendlichen Paukstunde (die neben der um 17.00 Uhr angeboten wurde) und einem erfrischenden Bad im Pool gemeinsam auf der großen Terrasse über dem Kneipsaal gefrühstückt, um danach die Uni aufzusuchen (oder auch nicht). Für letzteres bestand besonders Gefahr, wenn der Inaktive Bbr! Schwind (1973) erschien und verkündete: „Ich gebe die fünfte Flasche Sekt!“. Keine Frage, daß sich schnell derjenige fand, der die erste Flasche ausgab. Wer die Nacht durchgefeiert hatte und zu laut mitteilte, er werde nach der Paukstunde (verbotenerweise) das Bett aufsuchen, hatte gute Chancen von kräftigen Händen in voller Montur in das Schwimmbad befördert zu werden, damit der „Delinquent“ einen Hauch morgendlicher Frische erhalte.

Entsprechend unserer Alma Mater hielten auch wir es durchaus mit dem Johannes-Evangelium. Allerdings eher mit Johannes 19, Vers 28 („Mich dürstet!“). Bbr! Meinert (1969) wohnte über der Sektkellerei Karolus. Sein Zimmerschlüssel paßte auch in das Raritätenkabinett des Kellereibesitzers, was dieser allerdings wußte. Trotzdem tauschte er das Schloß nie aus. Und so wurden wir gelegentlich zu einer Raritätenprobe eingeladen, mußten aber auch versprechen keine Probe unter Mißbrauch des Schlüssels ohne den Eigentümer vorzunehmen. In bestem Mainzer Dialekt meinte er dann mit Hinweis auf die französische Besatzung: „De Franzose hawwe de Keller net gefunne. Aber bei Eich Buwe frei isch misch wenn’s Eisch schmeckt.“ Die Füxe wurden gelegentlich Opfer harmloser Scherze. So wurde Fux Meyer (74) vor einem Pauktag zu Corps Hassia geschickt, um dort das Sekundantensprungbrett abzuholen. Er kam mit einer alten Tür zurück. Fux Sahm (75/76) erhielt von AH! Bruns den Auftrag, in der alten Etage in der Steingasse 23 eine Türe mit den Wappen von Mainz und Jena zu beschaffen, die beim Umzug in die Ritterstraße vor 20 Jahren dort zurückgeblieben sei. Zwischenzeitlich befand sich aber in den Räumlichkeiten die „Mykonos-Bar“ – ein Etablissement mit eindeutig zweideutigem Hintergrund und alles andere als couleurfähig. Die der barbusigen Bardame nach vorherigem Ablegen von Band und Mütze gestellte Frage nach einer Tür mit den zwei Wappen führte zum sofortigen Rauswurf unseres Bundesbruders aus dem Etablissement – natürlich ohne Tür. Ein anderes Mal wurden die Füxe Puppel und Sahm von den AH!AH! Graeff und Ulbrich nachts um drei Uhr zum Bierkaufen ins Rotlichtviertel geschickt. Die pflichtbewußten Füxe kamen mit einer in einer Nachtbar zum Preis von 100,-- DM erworbenen Kiste Bier zurück (zuzüglich Taxi-Kosten), für die die Alten Herren, die sich diesen Ulk ausgedacht hatten, nun ihrerseits die Kosten zahlen mußten. Eine kleine und teure Rache.

Eine Tradition waren auch die Polizeikneipen, mit denen wir ein gutes Einvernehmen zur örtlichen Polizei herstellen konnten. Der stets anwesende Mainzer Polizeipräsident, Fbr! Kaeshagen (CV) wurde des Nachts stets von einem Polizeiwagen abgeholt und die Beamten machten sich dann einen Spaß mit Blaulicht von der Ritterstraße abzufahren. Dem guten Einvernehmen tat es keinen Abbruch, daß die „beschwingten“ Bundesbrüder Theis (1974/75) und Lockenvitz (1974/75) eines Nachts das Schild „Polizeipräsidium“ von dem Gebäude in der Klarastraße abschraubten und als Beutegut auf das Haus brachten (sogar die MRZ berichtete). Ein Anruf der beiden „Übeltäter“, ob der Mainzer Polizei nicht etwas fehle, brachte die Beamten ins Grübeln. Nachdem alle Polizeiwagen vorhanden waren, mußte wohl etwas anderes fehlen. Gegen eine Kiste Bier wurde das Schild selbstverständlich wieder ausgetauscht. Die nächste Polizeikneipe war dann allerdings ein teurer Spaß für uns, denn die Mainzer Polizei hatte einen gehörigen Durst mitgebracht.

 

mainz06Im Jahre 1977 feierte man den 500. Gründungstag der Mainzer Universität. Auf dem Festakt der Mainzer Korporationen sprachen unter anderem der ehemalige Bundesminister Hermann Höcherl (B! Babenbergia München), der rheinland-pfälzische Landtagspräsident Martin, Universitätspräsident Prof. Dr. Peter Schneider und Altrektor Prof. Dr. Leicher. Großes Engagement steckte unsere Burschenschaft auch in den Dachverband Deutsche Burschenschaft. Unsere „DB-Zwillinge“, die immer im Doppelpack auftretenden Bundesbrüder Puppel (1975/76) und Sahm, waren Vorsitzender des AfbA (Ausschuß für burschenschaftliche Arbeit) und Mitglied der Satzungskommission der DB. Der RV stellte auf den Burschentagen vielbeachtete Anträge, die zuvor auf RV-Wochenenden beraten worden waren, auf denen auch das gemeinsame Feiern nie zu kurz kam. Die Mitgliedschaft in der Deutschen Burschenschaft war für uns keine Frage. Mit der in den Fuxenstunden gelernten Arroganz des Urburschenschafters („Wir sind wir – und alle anderen sind Friseure!) betrachteten wir uns als DIE Deutsche Burschenschaft. Als im Rahmen einer DB-Veranstaltung im Jahre 1978 unsere Bundesbrüder beim Deutschlandlied die Mützen aufbehielten, hatte dies ein Untersuchungsverfahren gegen unseren Bund zur Folge. Im vollen Bewußtsein des Urburschenschafters teilten wir der VorsDB mit, daß wir die Mütze seit dem 12. Juni 1815 „immer“ aufbehielten. Die Vorsitzende möge uns doch bitte mitteilen, seit wann ihr Bund die Mütze abnehme. Es bedarf wohl keiner sonderlichen Erwähnung, daß wir von diesem Untersuchungsverfahren nie wieder etwas gehört haben. Dennoch hatten wir zu den vorsitzenden Burschenschaften der DB nie ein gespanntes Verhältnis. Ein wenig „Reiben“ an einem anderen Bund betrachteten wir eher unter „sportlichen“ Gesichtspunkten. Zur Übergabekneipe des DB-Vorsitzes auf dem Haus der „Donaubauern“ in München war natürlich auch unser Bund geladen. Als die Gäste allerdings Biermarken kaufen (und bezahlen!) mußten, fanden wir dies natürlich weniger lustig und dies trieb Bbr! Burk beim späteren Verlassen des Hauses im schwarzen Anzug auf den dortigen Fahnenmast. Wie es der Zufall so wollte fiel kurz darauf die Danubenfahne in unseren Kofferraum und wurde erst in Mainz „wiedergefunden“. Eine Woche später traf man sich auf dem 160. Stiftungsfest der Bubenreuther und dem Vertreter Danubiae wurde das übliche Tauschgeschäft „ein Dreißig-Liter-Faß Bier gegen die Fahne“ unterbreitet. Der Verbandsbruder Danubiae forderte die sofortige Rückgabe mit dem Hinweis, es handele sich um die Fahne der VorsDB. Diesen Hinweis hat er sicherlich sofort bedauert, denn die Fahne der VorsDB war natürlich keine 30 l Bier, sondern sofort 50 l Andechser Urbock wert. Bevor die Preise noch weiter inflationär steigen konnten, willigten die Danuben in den Handel ein.

In Berlin fanden die AfbA-Tagungen statt und wir mußten auf den Transitstrecken durch die „Zone“ fahren. Ein Bundesbruder mußte Pekeschen, Paradeschläger, und Wartburgfahne mit dem Flugzeug transportieren, damit sie nicht von „DDR“-Zoll beschlagnahmt werden konnten. Auf der Rückfahrt von einer dieser Tagungen1977 kamen wir an die innerdeutsche Grenze bei Eisenach und hatten vergessen, das Band abzunehmen. Der Bubenreuther Seiß verkündete dem fragenden Zöllner keck, daß es sich um Burschenbänder handele und wir Burschenschafter seien, wahrend wir uns schon einmal auf einen sehr langen Aufenthalt und mit Kontrolle einstellten. Doch weit gefehlt. In breitestem mitteldeutschen Dialekt verkündete der Grenzsoldat: „Ach, die Revolutionäre von der Wartburg! Denn man gute Fahrt.“ Wir waren verblüfft, aber auch froh, daß die Geschichte so glimpflich abgegangen war.

Der Burschentag 1977 fand in Linz an der Donau statt und wir ließen es uns natürlich nicht nehmen in großer Zahl dorthin zu fahren. Zwischenstation wollten wir bei unserer befreundeten B! Stauffia zu München machen, die uns auch Quartier zugesagt hatte. In München angekommen war kein Stauffe zu sehen, aber das Fenster in ersten Stock des Hauses offen. Bbr! Koennecke (1976/77) konnte seine Qualitäten als Fassadenkletterer beweisen, indem er am Dachkendel in den ersten Stock kletterte und uns dann die Haustüre öffnete. Dies blieb auch in den nächsten Tagen so, denn kein Stauffe zeigte sich. Wir rächten uns, indem wir den begehbaren, großen Getränkekühlschrank vollständig leerten und einen Zettel mit der Aufschrift: „Der Burgkeller war da!“ in dem leeren Raum zurückließen. Gegenüber dem Stauffenhaus wohnte die damals recht bekannte Schauspielerin Barbara Valentin, die – wenn es zu laut wurde – recht unfreundliche Worte am Telefon finden konnte. So können die meisten der damals anwesenden Bundesbrüder für sich in Anspruch nehmen, wenigstens einmal von Barbara Valentin persönlich beschimpft worden zu sein.

 

mainz07Nachdem sich die Jenaische Burschenschaft bestehend aus den drei Jenaischen Burschenschaften Arminia auf dem Burgkeller (Mainz), Germania (Göttingen) und Teutonia (Berlin) bereits am 12. Juni 1971 eine neue Verfassung, Grundsätze und Satzung und gegeben hatten, wurde 1980 auf dem gemeinsamen Stiftungsfest auf Burg Saaleck besonders auf Betreiben unseres damaligen Vorsitzenden und heutigen Ehrenvorsitzenden Aloyse Gombault (1962/63) die Zusammenarbeit des Jenenser DC, intensiviert und das alte bundesbrüderliche „Du“ untereinander mit begeisterter Akklamation wieder eingeführt. Das Abkommen von 1971 wurde am 17. Oktober 1981 von den drei Jenaischen Burschenschaften nochmals bestätigt. Im Rahmen der Reiseabkommen konnten Alte Herren aus der „DDR“ zu Stiftungsfesten kommen und wir Aktiven waren beeindruckt, welch ein Glückmoment für viele der Alten Herren der erstmalige Kontakt mit ihrem Bund bedeutete, obwohl dieser nicht mehr an ihrem Hochschulort Jena war. Wir Aktive bekamen ein richtig schlechtes Gewissen, wenn wir die Trabbis der mitteldeutschen Bundesbrüder, die z. T. in hohen Positionen als Chefärzte usw. tätig waren, neben den Mercedes-, BMW- und Audi –Limousinen oder Cabrios sahen, wir als Studenten fuhren. AH! Otto Wilke (1929/30) vertrat die Meinung, vom gesellschaftlichen Status seien wir eher Corpsstudenten, als Burschenschafter. 1979 hatte Bbr! Otto Schwarze aus Eisenach das Stiftungsfest in Mainz besucht und dabei die Aktivitas aufgefordert, gemeinsam die Ursprungsstätten der Burschenschaft in Jena und Eisenach zu besuchen. Vom 26. – 30. März 1982 wurde dies in die Tat umgesetzt und im gemütlichen Reisebus von Sahms Reisedienst fuhren 7 junge und 6 ältere Bundesbrüder z. T. mit ihren Angehörigen sowie Damen und Herren der VAB Mainz nach Thüringen. Bei dieser Fahrt war das offene Tragen von Couleur noch nicht erlaubt. Da die Reiseleiter von burschenschaftlicher Geschichte wenig Ahnung hatte, übernahm Bbr! Alfred Thullen die fachkundige Führung. Berührend war die Begegnung mit zahlreichen in der DDR lebenden Bundesbrüdern, die wir – zwar nicht ganz legal – im Bus mitnehmen durften, erschreckend der schlechte Zustand, in dem sich „Grüne Tanne“ und Burschenschaftsdenkmal in Eisenach befanden.

1982 war für unseren Bund das Jahr der Jubiläen: Zunächst unsere Teilnahme an der 150 Jahrfeier des Hambacher Festes am 23. Mai 1982, bei der unsere Kopie der Wartburgfahne von 1816 den Zug der Burschenschaften zum Hambacher Schloß anführte, wo Altbundespräsident Walter Scheel und Pierre Pflimlin, der damalige Vizepräsident und spätere Präsident des Europaparlaments eingerahmt von unseren Chargierten Ansprachen hielten, dann 120 Jahre RV und schließlich am 16./17. Oktober 1982 die 165-Jahr-Feier der drei Jenaischen Burschenschaften des Wartburgfestes mit einem Gruß des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Dr. Bernhard Vogel (später EM Arminia-Mainz).

Auf der Versammlung der Jenaischen Burschenschaft am 5. Februar 1983 in Mainz wurde offiziell beschlossen, sich mit dem bundesbrüderlichen Du anzureden, sowie die Einführung des Jenabandes, dem Band er Urburschenschaft in den Farben „schwarz- rot“ von unten, in Gold eingefaßt, mit dem aufgestickten Gründungsdatum der Urburschenschaft: „12. Juni 1815“ (oder als einfaches Band ohne jeglichen Schriftzug), das bei gemeinsamen Veranstaltungen und Veranstaltungen der Deutschen Burschenschaft neben dem Bundesband getragen werden soll. Dieses gemeinsame „Jena-Band“ soll die enge Zusammengehörigkeit der drei Jenaischen Burschenschaften demonstrieren. Zusätzlich wurde ein Ehrenband für besondere Verdienste gestiftet mit dem eingestickten Wahlspruch „Dem Biederen Ehre und Achtung“, deren einzige Träger die Bundesbrüder Aloyse Gombault und Alfred Thullen sind. Für den 26. April 1983 wurde die Jenaische Burschenschaft vom Präsidenten des rheinland-pfälzischen Landtages zur Teilnahme an einer Landtagssitzung in Mainz mit anschließendem Empfang eingeladen.

Obwohl das Couleurverbot an der Uni Mainz im Jahre 1953 aufgehoben worden war, untersagte im Jahre 1983 der Präsident der Universität, Prof. Dr. Manfred Harder, einen Couleur-Tag auf dem Universitätsgelände, da das massive Auftreten von Couleurstudenten erhebliches Aufsehen erregen werde und die Gefahr bestehe, daß dies als Provokation empfunden werde. Das Farbentragen – anders als an den Universitäten Heidelberg, Tübingen usw., in Mainz keine Tradition, im Gegenteil habe der Senat der Uni bereits 1954 die Meinungsäußerung, daß innerhalb des Universitätsgeländes öffentlich nicht Couleur getragen werden solle.

Aktiven-Generationen ist das Abendessen bei AH! Dr. Fritz Eichholz, dem ehemaligen Kanzler der Universität Mainz, bei dem wir mit dem besten aus Küche und Keller verwöhnt wurden, ein Begriff. Früher um den „Studikern“ die Möglichkeit zu geben, sich „einmal im Semester satt zu essen“, später um den Kontakt mit der Jungburschenschaft immer wieder zu pflegen und die neuen Füxe kennenzulernen. AH! Eichholz erzählte dann Geschichten aus der Gründungszeit der Mainzer Uni. Geschichten aus einer Zeit, in der wichtige Entscheidungen nicht, wie heute, in Gremien zerredet werden, sondern einfach durchgeführt wurden, weil sie notwendig waren, von der Zeit, in der aus wenigem viel gemacht wurde, manchmal auch am Rande der Legalität. So z.B. die Tatsache, daß die Mainzer Uni in der französischen Besatzungszone zwar mit Cognac gut bestückt war, jedoch es an Leichen für die Anatomie fehlte. In Göttingen hatte man zwar genug Leichen, aber keinen Cognac. So kam es, daß eines Tages ein mit französischem Cognac beladener LKW – nach alliiertem Recht Schmuggel- und Schwarzhandelsware – nach Göttingen aufbrach und mit Leichen für die Mainzer Anatomie zurückkehrte.

1985 wurde auch an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die 170. Wiederkehr der Gründung der Urburschenschaft gefeiert. Dr. Reinhard Jonscher legte im Namen der FDJ-Studenten der Universität ein Bekenntnis zu den fortschrittlichen Studententraditionen der Urburschenschaft und forderte eine Wiederaufnahme der studentischen Wartburgtreffen der Jugend der DDR. Die TLZ berichtet in ihrer Ausgabe vom 22.06.1985: „Eine Kranzniederlegung am Burschenschaftsdenkmal beschloß diese Gedenkveranstaltung, mit der sich die Universität eindeutig zu ihrem großen nationalen Erbe der Studentengeschichte bekannte. Das progressive Erbe der Urburschenschaft ist in unserem sozialistischen Staat im besten Sinne des Wortes Bestandteil unseres Lebens und Handelns geworden.“ Eine Einladung zu dieser Veranstaltung hatten die drei Jenaischen Burschenschaften abgelehnt, da man sich nicht von dem sozialistischen Regime instrumentalisieren lassen wollte. Unser damaliger Vorsitzender und heutiger Ehrenvorsitzender Aloyse Gombault (1962/63) forderte auf dem gemeinsamen Stiftungsfest der drei Jenaischen Burschenschaften in Göttingen vom 20. – 23. Juni 1985 die Freiheit für alle Deutschen und die Einheit Deutschlands in einem freiheitlich demokratischen Gemeinwesen. Er wiederholte die richtungsweisenden Worte: „…wenn wir dereinst auf dem Markt eines freien Jena stehen werden …“. Der 9.November 1989 brachte mit der friedlichen Revolution die Möglichkeit diese Worte auch in die Tat umzusetzen.

1988 fand eine weitere Thüringenfahrt mit dem Omnibusunternehmen Sahm statt, diesmal in Couleur. Die burschenschaftlichen Stätten aber, unsere „Grüne Tanne“ und das Denkmal in Eisenach befanden sich in einem bemitleidenswerten Zustand. Es war zu befürchten, daß die baufälligen Gebäude bald einzustürzen drohten. Auch Jena erschien uns baufällig und den Braunkohlegeruch der Heizungen und die Abgase der Trabbis waren für die „West-Nasen“ mehr als gewöhnungsbedürftig. Mit einem Gefühl großer Traurigkeit fuhren wir wieder nach Mainz. Der Fall der Mauer schien so fern. Ende der 80er Jahre trübte sich leider unser bislang gutes Verhältnis zum RV z. T. aufgrund persönlicher Querelen und Abneigungen, bis 1995 zahlreiche RV-Burschenschaften die Neue DB gründeten, während unser Bund als Urburschenschaft und „Wiege der Deutschen Burschenschaft“ selbstverständlich weiterhin in unserem Dachverband blieb. 1996 wurde der Burgkeller schließlich aus dem RV ausgeschlossen.

Am 9. November 1989 öffneten sich die Grenzen zwischen der Bundesrepublik und der „DDR“ (sowjetische Besatzungszone). Bbr! Sahm schrieb als erster in der Burgkellerzeitung einen Artikel zu der nun möglichen Rückkehr nach Jena. Allerdings waren die Vorbereitungen zum 175. Stiftungsfest in Mainz schon so fortgeschritten, daß es nicht nach Jena verlegt werden konnte. So war das 175. Stiftungsfest auch das letzte der Mainzer Stiftungsfeste. Am 12.Juni 1990 konnte die Bevölkerung von Jena anläßlich der Feierlichkeiten zur 175. Wiederkehr der Gründung der Urburschenschaft nach über 45 Jahren erstmals wieder offiziell die roten Mützen der Burgkeller-Burschenschaft in großer Zahl auf dem Marktplatz sehen. Die herzliche Aufnahme durch die Jenaer Bürger, speziell durch die älteren, die unseren Bund vor der erzwungenen Selbstauflösung 1936 noch erlebt hatten, war beeindruckend. Nach dem abendlichen Festkommers im „Schwarzen Bären“ führte Bbr! Alfred Thullen den ersten offiziellen Hanfriedbummel an. Nachdem wir nach langen Kaufverhandlungen mit der Stadt Jena am 18. Septe1990 den Zuschlag zum Erwerb der „Grünen Tanne“ erhielten, beschlossen am 27. Oktober 1990 Jungburschenschaft und Altherrenschaft gemeinsam mit überwältigender Mehrheit: „Die Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller kehrt spätestens zum Sommersemester 1991 nach Jena zurück.“

Aus Studiengründen konnten im SS 1991 zunächst nur der Medizinstudent Ulrich Schmidt und der Student der Vor- und Frühgeschichte Mathias Will freiwillig bereit erklären, als Wiederbegründungsburschen nach Jena zu gehen. Als erste der drei alten Jenaischen Burschenschaften eröffneten wir den Aktivenbetrieb in Jena am 23. Februar 1991, die erste Semesterantrittskneipe fand am 6. April 1991 auf dem Fuchsturm, das erste Stiftungsfest vom 21. – 23. Juni 1991 im Hotel „Schwarzer Bär“ statt. Bbr! Alfred Thullen konnte am Grab unseres Bundesbruders Dr. med. Hans Berger auf dem Johannisfriedhof die Rückkehr des Burgkellers an seinen Ursprungsort melden. Zum 1. Mai 1991 konnten zwei Etagen in der Otto-Schott-Straße 14 als Konstante bezogen werden. Der Medizinstudent Bert Müller war 55 Jahre nach unserer erzwungenen Auflösung im Jahre 1936 der erste Aktive wieder in Jena.

Nachdem man zunächst noch gehofft hatte, das Mainzer Haus in der Ritterstraße für den Bund halten zu können, wurde schnell klar, daß man den Verkaufserlös zur Restaurierung der Tanne benötigen werde. War die Rückkehr nach Jena 1990 noch fast einstimmig beschlossen worden, so erhoben viele Bundesbrüder gegen den Verkauf des Mainzer Burgkellerheimes erheblichen Einspruch. Erst nach einer zweiten Bundesversammlung wurde am 22. Februar 1992 auch der Verkauf des Hauses in der Ritterstraße 6 in Mainz beschlossen. Vier Bundesbrüder traten als Folge dieses Beschlusses aus unserem Bunde aus.

 

mainz08Für die aus Studiengründen in Mainz verbliebenen Bundesbrüder wurde für ein Jahr eine Konstante in der Friedensstraße 27 in Mainz-Gonsenheim angemietet. Diese Bundesbrüder bildeten die Unterstützungsburschen für die mit Hilfe der VAB Mainz am 3. Oktober 1992 in Mainz gegründete neue Burschenschaft Arminia-Mainz, die die Lücke im Mainzer Verbindungsleben schließen sollte, die unsere Rückkehr nach Jena hinterlassen hatte und die das Haus in der Friedensstraße vorübergehend weiternutzte. So endete die Mainzer Zeit im Herbst 1993 dort, wo sie auch begonnen hatte, in Mainz-Gonsenheim. Die Zeit des „Mainzer Exils“ war endgültig vorüber. Dieter Sahm (1975/76).

Quellen: 1. Burgkellerzeitung 1975 – 1993, 2. Thullen, Alfred: „Fünf Jahre nach dem Fall der Mauer ist der Burgkeller wieder in Jena“, BBl.1994, S. 181 ff.

Wann die „Grüne Tanne“ bzw. das Gebäude, welches später diesen Namen trug, errichtet wurde, weiß keiner genau zu sagen. Vielleicht hat sich dort schon zur Zeit der frühesten Besiedlung (erste Erwähnung Jenas als „Jani“ im 9. Jahrhundert, Stadtrechte 1230) Fährleute niedergelassen. Die gemauerten Kellergewölbe stammen aus der Zeit der Gothik, die Füllhölzer in der Decke des vielfach umgebauten Hauses aus dem 16. Jahrhundert. Die um 1840 errichtete erste Camsdorfer Brücke zählt zu den sogenannten sieben Wundern Jenas (`septem miracula Jenae`); danach wurden wandernde Handwerksburschen geprüft, ob sie wirklich in Jena gewesen waren: ara (die Durchfahrt unter dem Altar der Stadtkirche), caput (der `Schnapphans`am Rathaus) draco (der siebenköpfige `Drachen`im Stadtmuseum), mons (der Jenzig), pons (die alte Camsdorfer Brücke), vulpecula turris (der Fuchsturm) und Weigeliana domus (das durch allerlei Einrichtungen merkwürdige, 1898 abgerissene Weigelsche Haus in der nähe des Burgkellers). Vielleicht war es auch so, daß durch die Aufschüttungen vom Brückenbau das Erdgeschoß eines dort errichteten Gebäudes später zum Keller wurde. Die Brücke wurde 1637 von den Schweden gesprengt, erst 1655 wiedererrichtet und 1912 abgerissen. Auch das nach einem Brand 1768 neu errichtete Geleitshaus mußte, da es mit einer Ecke auf der Camsdorfer Brücke stand, 1912 dem Brückenneubau weichen. Das solide gebaute Geleitshaus hat seinen Namen daher, weil hier das Brückengeld erhoben wurde. Später befand sich dort eine sachsen-weimarische Zollstation und auch wohl schon früh eine Gaststätte, in der, wie in der „Grünen Tanne“, Fuhrleute und Reisende rasten und übernachten konnten, später auch studentische Korporationen ihren Sitz hatten. Eine Steinbank bot den festen Grund zum Bau dieser Brücke zum Ufer von Camsdorf, einem Dorf, das erst 1891 Wenigenjena eingemeindet wurde. Noch auf der Flurkarte von 1844 sieht man, daß es zwischen der „Grünen Tanne“ und dem Geleitshaus keine Straße mehr gab, wie auch Camsdorf und Wenigenjena zwei weit auseinanderliegende, nur durch schmale Feldwege miteinander verbundene Ortschaften waren. Die Straße führte deshalb früher saaleabwärts, der heutigen Wenigenjenaer-Uferstraße folgend, und mündete bei der Marienkirche, seit Schillers Trauung mit Charlotte von Lengefeld (1790) Schillerkirche genannt, in den alten nach Bürgel führenden Handelsweg.Der Gasthof gehörte zum ehemaligen Camsdorfer Freigut und besaß seit alters die Brau- und Schenkgerechtigkeit. Ähnlich wie Rittergüter (ohne jedoch deren Herrschaftsrechte zu besitzen) waren Freigüter von öffentlichen und grundherrlichen Abgaben befreit. Der zum Freigut gehörende Gasthof, schon seit 1751 „(Grüne) Tanne“ genannt, war meistens verpachtet. Als erster Besitzer des Freigutes erscheint in alten Urkunden der Amtsschösser Sebastian Wöllner, der mit Urkunde vom 22. Oktober 1507 von Kurfürst Friedrich III. Dem Weisen und dessen Bruder Johann dem Beständigen eine Abgabenbefreiung seines Hauses und Hofes erwirkte. 1554 wurde die Befreiung von den drei Söhnen des Kurfürsten Johann Friedrichs I. Des Großmütigen bestätigt. Später besaß Dr. jur. Georg Adam Struve (1619-1692), seit 1646 Professor der Rechtswissenschaften in Jena, das Freigut. Adrian Beier, Geographus et Architectus Jenensis, schreibt in seiner „Abbildung der Jenischen Gegend, Grund und Bodens...“ (Jena 1665): „Kamsdorf / das nechste Dorf by Jehna / an der steinern Brükken / hat seinen Nahmen vom Kraut / welches die Hausmutter mit Saltz und Kümmel einmachen / Und Kambs-Kraut nennen. In diesem Dorff liegt ein stattlich Vorwerk / welches anitzo besitzet D. Georgius Adam Struve“. Und in Beiers „Abbildung der Jenischen Gebäude...“ (1681) heißt es: „Anitzo ein Fuhrwerg (Vorwerk), zuständig, D. Georgio Adamo Struven, weiland P.P. Zu Jena und nachmals zu Weimar und jetzt Geheimer Rath und Ordinarie der Juristen Facultät“. Um 1720 war Adam Schäfer Eigentümer. Ihm folgten Dr. Friedrich Teichmeyer (1665-1744), Professor der Experimentalphysik (seit 1717), Medizin (seit 1719), Botanik, Chirugie und Anatomie (seit 1727) in Jena, und nach ihm dessen Schwiegersohn Dr. Joachim Darjes (1714-1791), 1744-1763 Professor der Philosophie (Politik und Moral) in Jena.

tanne01 Jena Gasthaus "Grüne Tanne"tanne02 Jugendherberge "Zur grünen Tanne"tanne03 Jugendherberge "Zur grünen Tanne"tanne04xxxtanne05Jena Gasthaus "Grüne Tanne"
 

Darjes verkaufte das Gut an Frau von Boso (Gattin von Carl Friedrich von Boso auf Branderoda und Obercamdorf, Oberaufseher der Saalflöße), die es um 1766 besaß. Als Besitzer des Freigutes folgten vor 1785 Johann Nicolaus Reuße, Erb- und Gerichtsherr auf dem von Geysianischen Freigut in Ziegenhain. Auf einem Jenaer studentischen Stammbuchblatt aus der Zeit um 1740 (Edmund Kelter: Jenaer Studentenleben zur Zeit der Renommisten von Zachariae, Hamburg 1908, Blatt 12 „Feuerwerk auf dem Landfeste“) ist an der Stelle, wo sich später die „Grüne Tanne“ erhob, noch ein freier Platz erkennbar. Man geht also sicher nicht fehl in der Annahme, daß der Gasthof (wohl auf älteren Fundamenten) Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet wurde. Nach dem Tod von Reuße fiel das Camsdorfer Freigut an dessen Kinder bzw. Erben. Um 1800 folgte N. Theuß aus Weimar, danach Carl Friedrich Heidenreich aus Jena (gest. 1839), dessen dritte Ehefrau sowie Heidenreichs Kinder bzw. Erben. Mitte der 1840er Jahre wurde das Freigut unter der Vormundschaft des Geheimen Hofrates Dr. Ferdinand Gotthelf Hand (1768-1851), seit 1817 Professor der griechischen Sprache und Literatur in Jena, von Heidenreichs ältester Tochter aus 3. Ehe als Eigentümerin verwaltet. Danach erwarb Friedrich Mämpel das Freigut. Wahrscheinlich wohnte der berühmte Schweizer Arzt, Naturforscher und Dichter Albrecht von Haller (1708-1777) einige Zeit in der „Grünen Tanne“, mit Sicherheit in einem Haus auf dem dazugehörigen Grundstück seines Schwiegervaters Teichmeyer. Er war von der Schönheit der Gegend begeistert und hat sie wegen ihres Reichtums sehr bewundert. Von Haller war dreimal verheiratet und hatte elf Kinder. In dritter Ehe war er seit März 1741 mit Sophia Amalia Friederike, Tochter von Professor Teichmeyer, verheiratet. Wie von Haller die Bekanntschaft Teichmeyers gemacht hatte, ist unklar. Vielleicht hatte er von seinem Göttinger Kollegen Johann Andreas Segner (1704-1777) von Teichmeyer und Jena gehört. Segner hatte 1725-1730 in Jena studiert, war dort 1733-1735 Privatdozent für Medizin und mit einer weiteren Tochter Teichmeyers verheiratet. 1735 nach Göttingen berufen, arbeitete von Haller 15 Jahre mit Segner zusammen. Als Ergebnis seiner ausgedehnten botanisierenden Spaziergänge schrieb Albrecht von Haller u.a. seine „Flora Jenensis“ (1745) und brachte viele „Blumen von Jenas Bergen“ in sein Herbarium ein, das bei seinem Tod in 59 Foliobänden 10.000 Arten umfaßte und sich heute in Paris befindet. Was den großen Schweizer Naturforscher weniger erfreulich mit Jena verband, war ein erbitterter und 15 Jahre anhaltender Streit um die Atemtechnik mit Dr. Georg Erhard Hamberger (1697-1755), seit 1737 Professor für Physik und Mathematik, seit 1744 außerdem für Anatomie, Chirurgie und Botanik an der Universität Jena. Persönliches mag dabei auch eine Rolle gespielt haben: beide hatten sich um die Professur in Göttingen beworben. Es war jedoch der prominentere Bewerber, Albrecht von Haller, der seinen Kollegen vorgezogen wurde. Über Jena hinausreichende Bedeutung erlangte die „Grüne Tanne“ erstmals 1761, als der Jenaer Professor und Begründer der Jenaer Kameralistik Johann Georg Darjes (1714-1791), Meister vom Stuhl der Jenaer Loge „Zu den drei Rosen“, hier eine der ersten deutschen Industrieschulen gründete. Unter wechselnden Besitzern bzw. Pächtern war die „Grüne Tanne“ seit Gründung der Universität ein beliebtes Ausflugsziel der Jenaer Studenten, wo auch oft und gerne gefochten und gekneipt wurde. „und zu Jena auf der Tanne , da ward so manche Wange getroffen von des Speeres scharfer Schneide“, heißt es in einem alten Anstichlied der Burgkellerburschenschaft. Am 12 Juni 1815 versammelten sich die Landsmannschaften mit ihren alten Fahnen und zogen gemeinsam auf die „Grüne Tanne“, um dort die Jenaische Burschenschaft zu gründen. Wie aus zeitgenössischen Berichten, studentischen Stammbuchblättern und den Protokollbüchern des Vorsteherkollegiums ersichtlich, benutzte die Jenaische Burschenschaft die „Tanne“ in den Jahren 1815-1819 kontinuierlich als Kommershaus. Im Sommersemester 1818 war die „Tanne“ Sitz eines burschenschaftsinternen wissenschaftlichen Vereins. Die Gründer waren wahrscheinlich August Daniel von Binzer (1793-1868) und Robert Wesselhöft (1796-1852). Außer ihnen gehörten Rödiger, Lornsen, Haupt, Haberfeld, Witt, Leo, Sand und Heinrich von Gagern zu den regelmäßigen Teilnehmern. Man traf sich etwa alle 14 Tage, um Vorträge zu hören und über bestimmte Werke zu diskutieren. Als Staatsminister und Leiter der Oberaufsicht für Kunst und Wissenschaften im Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach war Goethe in Jena auch für die dem direkt Herzog unterstehenden wissenschaftlichen Anstalten der Universität zuständig. Dies erforderte des öfteren seine Anwesenheit in Jena. Auch um den Zwängen des Hofes sowie mancherlei Ärger zu entgehen und sich ungestört seinen privaten Neigungen zu widmen, floh er wohl ganz gerne von der Weimarer Residenz in das nahe gelegene Jena. Seit 1817 nahm Goethe, davor im Haus Bischoff in der Schloßgasse 9 und im Gärtnerhaus des Botanischen Gartens, auf der „Grünen Tanne“ Quartier, wo er die Mansarde mietete. Während seines Aufenthaltes in der „Zinne über dem rauschenden Brückenbogen“ betrieb Goethe vor allem naturwissenschaftliche, kunst- und literaturhistorische sowie literarische Studien. Hier arbeitete er u.a. an den „Farben des Himmels“, der „Darstellung der entoptischen Farben“ sowie an „Morphologie und Naturwissenschaft“.Vor allem schrieb er am 19. Februar 1818 auf der „Grünen Tanne“ in Camsdorf „Die Jahre nahmen dir...“, eines der schönsten und weisesten, in den „Westöstlichen Divan. Buch der Betrachtungen“ aufgenommenen Gedichte. Das „Der Fischer“ und der „Erlkönig“ ebenfalls dort entstanden seien, ist eine in Jena liebevoll gepflegte Legende. Bevor die studentischen Korporationen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts eigene Häuser errichteten, speisten, kneipten und fochten sie in Jena auch auf der „Grünen Tanne“. Nach 1848/49, als das Interesse der jenaischen Burschenschaften an der Lokalität offenbar nachließ, nutzten die jenaischen Corps dieses Gasthaus verstärkt als Mensur- und Kneiplokal. Das sich die jenaischen Korporationen vor dem ersten Weltkrieg aus der „Grünen Tanne“ zurückzogen, hat seine Ursache sicher nicht nur darin, daß sich das Verbindungsleben im Gegensatz zu früher jetzt mehr auf den eigenen Häusern abspielte. Zwischen 1897 und 1904 scheint die „Grüne Tanne“ - wie Karl Brundig und Georg Thieme in ihrer „Geschichte der Jenaer Arbeiterbewegung in Daten“ (Bd. 1, 1982) aufgezeigt haben – ein bevorzugtes Versammlungslokal von Gewerkschaften und Sozialdemokraten und damit für die damals überwiegend konservativen und monarchistischen Korporationen nicht mehr „coleurfähig“ gewesen zu sein. Auf öffentlichen Versammlungen des sozialdemokratischen Wahlvereins Jena/Wenigenjena sprachen z.B. Clara Zetkin, August Bebel und Adolf Damaschke. Vielfältig und schwer war das Schicksal der „Grünen Tanne“ kurz vor und nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges; der traurige Weg des Zerfalls nahm seinen Lauf. Nach der Besetzung Jenas durch die amerikanischen Streitkräfte am 13. April 1945 diente das Gebäude kurzzeitig als Hauptquartier des 317. Infanterie-Regiments der US-Armee. Die Gastwirtschaft wurde weitergeführt. 1950 beschloß die Stadtverordnetenversammlung, in der „Tanne“ eine für 122 Personen bestimmte Jugendherberge einzurichten. Diese wurde am 1. August 1951 mit einer Ansprache des Oberbürgermeisters Dr. Johannes Herdegen feierlich eingeweiht. Nach einigen Jahren stellte sich jedoch heraus, daß das Gebäude für den Betrieb einer Jugendherberge baulich und funktional nicht mehr geeignet war. In den 60er Jahren wurde das Gebäude der FDJ-Kreisleitung Jena zugewiesen; sie blieb dort bis 1984. Gleichzeitig befand sich ebenfalls in den Räumlichkeiten der "Grünen Tanne" das Berufsberatungszentrum der Abteilung Berufsbildung und Berufsberatung des Rates der Stadt Jena.

tanne06Inzwischen hatte sich jedoch der Bauzustand durch mangelnde Pflege und das Unterlassen jeglicher Erhaltungsmaßnahmen so verschlechtert, daß sich das Gebäude nicht mehr zum dauernden Aufenthalt von Personen eignete. Die „Tanne“ konnte fortan nur noch als Eigenbedarfslager der Staatlichen Handelsorganisation HO dienen und wurde bald mit der Bauzustandsstufe IV bewertet, gleichbedeutend mit „nicht mehr erhaltungswürdig“ und „Zutritt verboten“.Auf der Suche nach einem Investor, der die traditionsreiche „Grüne Tanne“ unter denkmalschützerischen Bedingungen wieder aufbauen würde, kam die Stadt Jena 1990 mit der im Mainzer Exil verweilenden Jenaischen Burrschenschaft Arminia auf dem Burgkeller in Mainz in Kontakt, die in Jena eine neue Heimstätte suchte.Die Bauarbeiten begannen im Spätherbst 1992 mit den Rohbauarbeiten. Der Dachstuhl wurde im Juni 1993 gerichtet und das Richtfest am 12. Juni 1993 begangen. Bis dahin waren erhebliche bauliche Probleme zu bewältigen. U.a. hatte sich herausgestellt, daß die Fundamente der alten „Grünen Tanne“ auf dem Schwemmland der Saale den heutigen statischen Anforderungen nicht genügten und daß deshalb zur zusätzlichen Sicherheit eine aufwendige Pfahlgründung erforderlich wurde. Die Dacheindeckung war im Novemder 1993 abgeschlossen, die letzten Rohbauarbeiten endeten im Dezember 1993. Anfang Januar 1994 begannen die Heizungs- und Elektroarbeiten. Der Innenausbau schloß sich an und wurde bis auf Restarbeiten unter höchstem Einsatz aller Handwerker – bis zur letzten Minute – ausgeführt.Damit war der mühsame Weg zur Errichtung einer neuen Heimstätte der Burgkellerburschenschaft abgeschlossen. Anläßlich der Erneuerung der „Grünen Tanne“ und des Einzugs der Burgkellerburschenschaft in ihre neues Heim fand am 10. Juni 1994 in der Aula der Friedrich-Schiller-Universität ein akademischer Festakt statt. Der vorangegangene Text wurde auszugsweise übernommen aus: Kaupp Peter, Zinne über´m Brückenbogen Festschrift anläßlich der Erneuerung der „Grünen Tanne“ in Jena, Jena 1994.

tanne neu

fahne urburschenschaftIn schwierigen und sich über Jahre hinwegziehenden Verhandlungen gelang es den Verhandlungsführern, Gerichte und Behörden davon zu überzeugen, dass die im Februar 1991 nach Jena zurückgekehrte Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller Rechtsnachfolgerin der 1936 zwangsaufgelösten gleichnamigen Burschenschaft ist. Das bedeutet, dass die Burgkeller-Burschenschaft nach wie vor Eigentümerin von wichtigen ur- und frühburschenschaftlichen Insignien und Archivalien ist, die sich früher ununterbrochen auf dem Burgkeller befanden und nach 1945 in den Besitz der Stadt Jena gelangt waren. Mit Vertrag vom 3. Mai 1996 hat die Stadt Jena den Eigentumsanspruch der Burschenschaft Arminia auf dem Burgkeller Jena an diesen Objekten anerkannt. Damit wurden uns folgende Insignien und Archivalien zurückerstattet, die für die Geschichte der Burgkellerburschenschaft und der Deutschen Burschenschaft von Bedeutung sind. - Die Verfassungsurkunde von 1815: Diese Urkunde wurde bei der Gründung der Jenaischen Burschenschaft am 12. Juni 1815 auf der "Grünen Tanne" vorgelesen und beschlossen. In ihr sind u. a. der erste Wahlspruch "Dem Biedern Ehre und Achtung" (seit 1818: "Ehre, Freiheit, Vaterland") und die von den Uniformfarben der Lützower, dem zahlreiche Gründungsmitglieder angehört hatten, abgeleiten Farben Rot und Schwarz festgelegt. Außer dem Datum ist die Zahl der 143 Gründer angegeben: 9 Vorsteher, 21 Ausschussmitglieder und 113 einfache Mitglieder. Unterschrieben ist die Urkunde u. a. von Carl Horn, letzter Senior der Landsmannschaft Vandalia und erster Sprecher der Burschenschaft. Ein Reliefporträt von ihm befindet sich auf dem Burschenschafterdenkmal in Jena. - Das Burschenschwert von 1817: Erstmals wurde es beim Wartburgfest am 18. Oktober 1817 von Karl Herrmann Scheidler dem Burschenzug zur Wartburg vorangetragen. Seit dieser Zeit wurde es bei allen Burschenschaftsfesten ausschließlich von Burgkelleranern getragen. Als integrierende Symbole der Burgkellerburschenschaft wurden am Stiftungsfest 1996 den versammelten Bundesbrüdern feierlich das Burschenschwert präsentiert und alle Anwesenden auf die Verfassungsurkunde von 1815 verpflichtet. Das Burschenschwert wurde - wie bei der Auflösung 1936 - von dessen damaligen Träger, Bbr. Zinser (1933), begleitet von den zwei anwesenden Teilnehmern an der Auflösungsfeier, Bbr. Krietenstein (1932) und Bbr. Thullen (1932), in den Festsaal der "Grünen Tanne" und am Abend zum Festkommers im "Schwarzen Bären" hereingetragen. - Das Mitgliederverzeichnis der Jenaischen Urburschenschaft, das sogenannte "Stammbuch": Darin sind die Namen aller ihrer Mitglieder von 1815 bis zu ihrem ersten Verbot 1819 enthalten. Eingetragen ist u. a. der Name Ernst von Schillers, jüngerer Sohn des Dichters und vormals Mitglied der Landsmannschaft Saxonia. - Das in Pastellfarben gemalte Jugendbild von Karl Herrmann Scheidler, Mitgründer der Jenaischen Burschenschaft.

Von einem unbekannten Maler angefertigt, hing es früher auf dem Burgkeller. Das Stadtmuseum Jena besitzt eine Kopie dieses Porträts. Auch von Scheidler befindet sich auf dem Burschenschaftsdenkmal ein Reliefporträt. - Das "Album der Gaeste der Burschenschaft auf dem Burgkeller in den Tagen des dreihundertjährigen Jubiläums der Universität Jena". Von den 279 persönlichen Eintragungen (und 15 Nachträgen) von Burgkelleranern sowie sonstigen Burschenschaftern und Gästen sind diejenigen des Mitgründers von 1815 Pastor Carl Horn aus Mecklenburg-Strelitz sowie von Fritz Reuter am bekanntesten. Unter den genannten Insignien nimmt die rot-schwarz-rote Wartburgfahne von 1817 eine Sonderstellung ein. "Von den Frauen und Jungfrauen zu Jena am 31. März 1816" gestiftet, wurde sie zum Wartburgfest mitgeführt. Nach dem Verbot der Burschenschaft 1819 mußte sie verborgen werden, zunächst in einem geheimen Versteck in Jena, später in einem Rauchfang in Dornburg. In den 1830er Jahren von Professor Reinhold Schmid in Bern verwahrt, gelangte sie erst anlässlich der 350-Jahrfeier der Universität wieder nach Jena. Da man sich danach über den Besitz nicht einigen konnte, ist die Wartburgfahne seitdem - im Gegensatz zu den o. g. Archivalien und Insignien - gemeinsames Eigentum der drei jenaischen Burschenschaften Arminia, Germania und Teutonia. Unmittelbar nach der erzwungenen Auflösung der Deutschen Burschenschaft am 18. Oktober 1935 hat Bbr. Costabell (1898) die Fahne vor dem Zugriff des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbunds gerettet. Das Original befindet sich heute als Leihgabe der drei jenaischen Burschenschaften im Stadtmuseum Jena. Eine (größere) Kopie befindet sich auf der Wartburg. Außerdem besitzt die Burgkeller-Burschenschaft eine Petschaft mit dem Siegel der Urburschenschaft. Da dieser u. a. die Abkürzungen des 1816 übernommenen Wahlspruchs (E)hre, (F)reiheit, (V)aterland enthält, kann er nicht früher verwendet worden sein. Offenbar waren in der frühen Burschenschaft mehrere Siegel im Gebrauch. Die Verfassungsurkunde von 1815 ist nicht gesiegelt. Seit jeher im Besitz der Burgkellerburschenschaft befindet sich auch die goldumsäumte rot-schwarze Fahne von 1815/16. Im Jahr 1822 beim Auszug nach Kahla mitgeführt (deshalb auch "Kahlafahne" genannt), ist diese schmucklose Fahne - belegt durch zeitgenössische kolorierte Stammbuchblätter - höchstwahrscheinlich älter als die berühmte "Wartburgfahne" von 1816. Sie dürfte die älteste erhaltene Fahne der Burschenschaft und damit auch die älteste erhaltene Fahnen mit den deutschen Nationalfarben sein. Bei Gründung der Burschenschaft 1815 wurden zwar die Farben festgelegt, aber wahrscheinlich noch keine Fahne mitgeführt.

 

Bücher über die Burgkellerburschenschaft und die Jenaische Burschenschaft:

  • Hanow, Rudolf: Die Geschichte der Burgkellerburschenschaft Arminia auf dem Burgkeller 1859-1932, Hildesheim
  • 1933. Kaupp, Peter: Stammbuch der Jenaischen Burschenschaft. Die Mitglieder der Urburschenschaft 1815-1819, Köln 2005.
  • Kaupp, Peter: Von Aldenhoven bis Zittler (recte Zittel). Mitglieder der Burschenchaft Arminia auf dem Burgkeller-Jena, die in den letzten 100 Jahren im öffentlichen Leben hervorgetreten sind, Dieburg 2000.
  • Kaupp, Peter / Stegmann, Reinhard (Hrsg.): 150 Jahre Burschenschaft auf dem Burgkeller, Mainz 1965.
  • Schroeter, Bernhard (Hrsg.): Für Burschenschaft und Vaterland. Festschrift für den Burschenschafter und Studentenhistoriker Prof. Dr. Peter Kaupp, Jena 2006.
  • Thullen, Alfred: Der Burgkeller zu Jena und die Burschenschaft auf dem Burgkeller 1933-1945, Jena 1998.
  • Volquartz, Hans: Die Insignien der Jenaischen Burschenschaft und ihre Geschichte 1815-1965, Bochum-Langendreer 1965.
  • Zeiß, Hermann: Geschichte der alten Jenaischen Burschenschaft und der Burgkeller-Burschenschaft, seit 1859 Arminia a. d. B., Jena 1903.
  • 1815-1990. 175 Jahre Jenaische Burschenschaft. Festschrift der Jenaischen Burschenschaften Arminia a. d. Burgkeller, Germania und Teutonia zur 175. Wiederkehr der Gründung der Burschenschaft in Jena, Mainz, Göttingen und Berlin 1990.
  • Ein Buch über unser heutiges Verbindungshaus "Grüne Tanne":
  • Kaupp, Peter: Zinne über'm Brückenbogen, Jena 1994.

Weitere Veröffentlichungen von Bundesbrüdern:

  • Peter Kaupp (Hrsg.): Burschenschafter in der Paulskirche. Aus Anlaß der 150. Wiederkehr der Frankfurter Nationalversammlung 1848/49 im Auftrag der Gesellschaft für burschenschaftliche Geschichtsforschung herausgegeben, Dieburg 1999.
  • Thullen, Alfred: Jena in Stammbüchern zweier Jenaer Studenten: Die Stammbücher von Carl Beatus Bretschneider 1765-1812 und Carl Alexander Bretschneider 1801-1861, Hildesheim 2002.
Entsprechend unserem Wahlspruch gibt es drei zentrale Begriffe, zu denen wir uns als Verbindung bekennen und die im Folgenden etwas näher erläutert werden sollen:
 
 
Das Bekenntnis zur Ehre bedeutet stetes Bewusstsein der Verantwortung vor sich selbst und anderen Menschen. Es regt jeden zu Wahrhaftigkeit und Aufrichtigkeit in Wort und Tat an. Die Würde jedes Menschen zu achten und zu verteidigen ist unbedingte Pflicht.
 
 
Das Bekenntnis zur Freiheit beinhaltet das Streben nach Erlangung innerer Freiheit und sittlich-moralischer Verantwortung. Freiheit beinhaltet gleichermaßen Rechte, wie Pflichten. Sie findet ihre Grenzen gegenüber den Rechten anderer, der Gesellschaft und unserem Grundgesetz. Jene demokratische Ordnung und die Freiheit der Bevölkerung sehen wir als kostbares Gut. Wir ermutigen unsere Mitglieder, sich in freiheitlich demokratischer Art und Weise konstruktiv in die Gesellschaft einzubringen.
 
 
Das Bekenntnis zum Vaterland bedeutet das Eintreten für die Belange des deutschen Volkes. Das Volk ist die Gemeinschaft derjenigen, die durch gemeinsame Sprache, Kultur und Wertvorstellungen verbunden sind und sich zur gemeinsamen Geschichte und Tradition bekennen. Das verantwortungsbewusste Handeln für die Belange der Bevölkerung verknüpft das Bekenntnis zu rechtsstaatlicher Demokratie in Deutschland mit einem Eintreten für ein einiges Europa als Gemeinschaft freier Völker unter Wahrung nationaler und regionaler Identitäten.